Der „Caritas-Pfad“ in Unterliederbach

Kontakt: M. Aßmann; Caritas in Unterliederbach; Telefon: 0176 - 129 82 226

Kontakt: M. Aßmann Caritas in Unterliederbach; Tel: 0176 - 129 82 226


Unterlie
derbach, im Westen von Frankfurt am Main, hat circa 14.500 Einwohner. Der Verein „Caritas der Gemeinde St. Johannes Apostel“ hat in Kooperation mit dem Caritasverband Frankfurt einen sozialen Pfad angelegt, der pastorale mit Stadtteilangeboten verbindet.
Renate Giesler befragte Margurit Aßmann, Caritas-Beauftragte im Pfarrgemeinderat, zu den Erfahrungen mit dieser Art von Hilfenetz

  • Neun Stationen hat der Caritas-Pfad, etwa zwei Stunden dauert es von der ersten bis zur letzten Station. Wer geht diesen Pfad?
    Es sind Besucher unserer Kirchengemeinde, Politiker, Gäste des Bistums aus aller Welt aber auch Schulklassen. Wir bieten an, mit uns diesen Pfad zu gehen. Meine Erfahrung ist, Schüler sind sehr interessiert, sie stellen viele Fragen – und begreifen, worauf es ankommt: auf die Vernetzung der sozialen Angebote. Der Pfad ist wie ein roter Faden, er verbindet praktisch alle sozialen Angebote der katholischen Gemeinde St. Johannes mit Stadtteilangeboten der Caritas. Man geht von der Begegnungsstätte zur KITA, vom Jugend-Club zum Kleiderladen bis hin zu dem Stadtteilhaus, in dem wir die Allgemeine Lebensberatung anbieten. In jeder Station gibt es das Faltblatt mit der Übersicht aller sozial-caritativen Einrichtungen in Unterliederbach. Inzwischen gibt es schon Nachahmer, zum Beispiel in Saarbrücken.
  • Können Sie die Probleme benennen, die den Menschen in Unterliederbach auf den Nägeln brennen?
    Die Verschuldung ist ein großes Thema. Das Problem ist jedoch, dass die Betroffenen es nicht schaffen, nicht in der Lage sind, zur Schuldnerberatung in die City zu fahren. Es kostet Fahrgeld und vor allem Energie, sich auf den Weg zu machen. Und genau an diesem Punkt haben wir vor dreizehn Jahren angesetzt. Wir bieten einmal in der Woche eine Sprechstunde bei einem professionellen Schuldnerberater an. Auch haben sich die Ehrenamtlichen, die die Allgemeine Lebensberatung machen, gut in die Materie eingearbeitet. Sie führen erste Gespräche, sortieren vor und arbeiten dem Experten zu.
  • Wer kommt in das Stadtteilhaus in der Eukenstraße und fragt um Rat?
    Es kommen Arbeitslose, Jugendliche, Hausfrauen um die 50, aber auch Männer, die zu wenig verdienen, Christen, Muslime – und sogenannte gescheiterte Existenzen. Der Vorteil ist, dass das Haus in der Eukenstraße sehr
    zentral liegt und auf neutralem Boden steht. Wir befinden zwar im Schatten der Kirche aber nicht im Pfarrhaus. Für viele Leute, darunter auch die mit Migrationshintergrund, gibt es immer noch eine Hemmschwelle, sie gehen nicht in das Pfarrbüro. Vorteil ist zudem, dass das Stadtteilhaus weder im sozialen Brennpunkt noch in der akademischen Hochburg
    liegt.
  • Wurde das Beratungsangebot gleich gut angenommen?
    Unsere Erfahrung ist, man braucht viel Geduld. Es reicht nicht, den Bedarf zu analysieren, entsprechende Angebote zu machen und die Werbetrommel zu schlagen. Vertrauen spielt eine große Rolle. Zu Beginn, das war 1997, haben wir hier gesessen und kein Mensch ist gekommen. Es hat fast ein Jahr gedauert, bis dass unsere Angebote angenommen wurden.
  • War das nicht für die Ehrenamtlichen, die helfen wollten, demotivierend?
    Die Frauen der ersten Stunde haben durchgehalten, sie sind immer noch aktiv. Wir haben damals die Zeit einfach gut genutzt. Wir haben uns selbst schlau gemacht und  wurden zudem vom Caritasverband fortgebildet – angefangen von Hartz IV-Berechnungen über Sozialraumanalyse bis hin zum Ausfüllen von Stammblättern und dem Umgang mit Gutscheinen.
  • Gibt es Regeln für Ihr Team?
    Ja, die gibt es. Niemals allein Dienst machen, das ist wichtig. Wir beraten hier im Stadtteilhaus und nicht irgendwo draußen oder gar in einer Privatwohnung. Inzwischen hat eine Ehrenamtliche auch ein Diensthandy, das ist wirklich praktisch und jenseits von Sozialromantik.
  • Allgemeinen Lebensberatung und Schuldnerberatung werden stark nachgefragt – was läuft noch gut in Unterliederbach?
    Das Hilfenetz zum Beispiel, wir haben am 5. November 2010 das Zehnjährige gefeiert. Wer Schulden hat und keine
    Gelegenheit, Geld zu verdienen, kann sich bei uns hier im Stadtteilhaus melden. Wir vermitteln dann die Dienste an Personen – Kranke, Gebrechliche und Menschen in einer Notsituation – die stundenweise eine Hilfe im Haushalt brauchen. Wir haben im Jahr 2009 rund 10.900 Stunden „gestemmt“. Das heißt, wir vermitteln Frauen und Männer, die niedrigqualifiziert sind. Wir haben zurzeit 84 Helfer und Helferinnen. Die Abrechnung läuft über Stundenzettel und mittels Überweisung – so dass eine Rentnerin nicht ihre Geldbörse zücken muss. Wir haben mit dem Hilfenetz auch erreicht, dass Nachbarschaft entsteht. Zum Beispiel, wenn eine junge türkische Mutter zu einer älteren Frau in der Gemeinde geht und allmählich Vorurteile abgebaut werden.
  • Und wie wird der neue Kleiderladen am Alleehaus angenommen?
    Der brummt. Das hat sicher mit der 1a Lage zu tun, mit der soliden Ausstattung und der hochwertigen Secondhand- Ware – nicht zuletzt mit dem Engagement der Verkaufskräfte. Wir konnten dort 20 Hartz-IV-Stellen schaffen – und zum Beispiel haben dort fünf Frauen durch diese Tätigkeit und Qualifizierung es in den ersten Arbeitsmarkt geschafft, darauf sind wir stolz. Am Samstag helfen wir Ehrenamtliche im Laden aus. Somit sind wir auch vor Ort präsent und können gezielt Menschen, die in den Laden kommen, ansprechen. Wir geben Rat und informieren oder weisen auf unsere Allgemeine Lebensberatung hin.
  • Wie haben Sie nach dem Start das Hilfenetz öffentlich gemacht?
    Steter Tropfen höhlt den Stein: Schaukästen, Gemeindebrief, Kalender, Infos in der Kirche, wir haben Schulen und Sozialrathäuser informiert. Unsere Erfahrung ist, auch bei den Behörden dauerte es ein Jahr, bis wahrgenommen
    wurde, dass es im Stadtteil neue soziale Angebote gibt.

Kontakt:
Caritas in Unterliederbach
Telefon: 0176 – 129 82 226
https://www.st-johannes-ap.de


Quelle:
Evangelische Kirche in Deutschland; Herrenhäuser Str. 12; 30419 Hannover
Armut überwinden – an vielen Orten : Projekte von Kirchengemeinden und diakonische Initiativen.